Ein Ausstieg zum Vorteil der Energiekonzerne
Von Jürgen Döschner, WDR, ARD-Energieexperte
Während sich alle Welt Gedanken macht, wie man den CO2-Ausstoß senken kann, wie der Klimawandel gestoppt und auf die gefährliche Atomenergie verzichtet werden kann, während immer mehr Länder mit Neid und Anerkennung auf das deutsche Modell zur Förderung erneuerbarer Energien schauen, machen sich die Minister Philipp Rösler und Norbert Röttgen daran, eben diese Erfolgsgeschichte zu demontieren.
Der jetzt vorgestellte rasante und radikale Umbau der Solarförderung ist de facto ein Ausstieg. Eine Kürzung von 20 bis 30 Prozent innerhalb von zwei Wochen trifft nicht nur jene Hausbesitzer und Investoren hart, die gerade eine Anlage installieren. Deren Kalkulation schmilzt nun wie Butter in der Sonne dahin. Die Anti-Solar-Koalition schlägt auch einer ganzen Branche ins Gesicht, die in den vergangenen Jahren einen enormen Beitrag zur Sicherung einer CO2-freien, dezentralen und preiswerten Energieversorgung geleistet hat.
Solarenergie sichert die Stromversorgung
Natürlich musste diese Technik in der Vergangenheit stärker gefördert werden. Und natürlich muss diese Förderung auch Zug um Zug abgebaut werden. Aber diese so genannte Degression war schon immer Realität. Keine andere Energietechnik hat in den vergangenen Jahren solche Fortschritte gemacht. Photovoltaik kommt ohne Wasser, Treibstoff und bewegliche Teile aus. Sie liefert in Deutschland bereits vier Prozent des Stroms und hat im vergangenen Mai und im Februar dieses Jahres erheblich zur Sicherung der Stromversorgung beigetragen.
Die 70 Euro jährlich, mit denen jeder Haushalt im Schnitt diese Technologie unterstützt, sind gut angelegt. Denn erneuerbare Energien halten den Strompreis niedrig und senken die Kosten für Rohstoffimporte. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Solaranlagen, viel, viel mehr.
Die Stromkonzerne profitieren
Der Radikalumbau der Solarförderung durch Röttgen und Rösler bewirkt aber genau das Gegenteil. Der Ausbau der Solarenergie wird dramatisch einbrechen. Das nützt weder den Stromkunden, die durch diese Entscheidung kaum auf niedrigere Preise hoffen können. Es hilft auch nicht dem Staat, aus dessen Kassen die Solarförderung ohnehin nicht bezahlt wird, und schon gar nicht dem Klima und der Umwelt.
Nein, die einzigen, die von dieser Entscheidung profitieren, sind RWE, E.ON, Vattenfall und Co.. Denn deren Großkraftwerke - ob mit Atom, Kohle oder Gas betrieben, verloren mit jeder neuen Solaranlage an Wert, weil das Gesetz über Erneuerbare Energien unter anderem vorschreibt, dass Wind- und Solarstrom Vorrang vor konventionellem Strom haben. Der Wertverfall und damit der Machtverlust der Energieriesen soll aufgehalten werden. Das ist wohl das eigentliche Motiv für Röslers und Röttgens "Energiewende rückwärts". Aber zum Glück haben energiepolitische Entscheidungen der schwarz-gelben Regierung manchmal eine recht kurze Halbwertzeit.
29. Februar 2012 │ Quelle: www.tagesschau.de │ zum original Kommentar